Das neue Kaufrecht seit 01.01.2022
Rechtsanwalt Kamen Gebauer klärt auf.
![]() Mit der Gesetzesänderung hat die Bundesrepublik Deutschland die Warenkaufrichtlinie der EU umgesetzt, sodass seit dem 01.01.2022 das neue Gesetz auf die ab 01.01.2022 geschlossenen Kaufverträge Anwendung findet. |
Sachmangel Begriff
§ 434 BGB
Was ist der neue Sachmangelbegriff?
In § 434 BGB ist der Sachmängelbegriff definiert. Dieser Begriff enthält nun sowohl subjektive als auch objektive Komponenten. Dabei ist subjektiv alles das, was Sie im Kaufvertrag vereinbart haben (§ 434 Abs. 2 BGB), objektiv ist das Übliche, das Sie als Käufer nach Art der Sache erwarten können (§ 434 Abs. 3 BGB). Nach dem bisherigen Recht kam vorrangig darauf an, was sie vereinbart haben. Auf das Übliche kam es bislang nur an, wenn nichts vereinbart wurde. Das hat sich also nun geändert. Ihr Fahrzeug muss so sein wie vereinbart und wie üblich, um frei von Sachmängeln zu sein.
Formvorschrift "vor und eigens" § 476 Abs. 1 BGB
§ 476 Abs. 1 BGB
Soll etwas nicht Übliches vereinbart werden, so ist eine solche Abweichung nur dann wirksam vereinbart, wenn die Formvorschrift des § 476 Abs. 1 BGB eingehalten ist. Dann müssen sie eigens in einem vom Kaufvertrag getrennten Dokument vor dem Kauf darauf hingewiesen werden, dass eine bestimmte Eigenschaft des Fahrzeugs von den objektiven Anforderungen abweicht. Zusätzlich muss dies im Kaufvertrag wiederholt werden.
Unbrauchbare Montageanleitung
§ 434 BGB
Ab sofort kann auch ein Mangel vorliegen, wenn die Montageanleitungen unbrauchbar sind.
Digitale Elemente
§ 475 b, 475 c BGB
![]() Nunmehr gibt es zusätzliche Mangelmerkmale bei Waren mit digitalen Elementen (§ 475 b BGB) und bei Waren mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente (§ 475 c BGB). Ihr Auto ist ohne Zweifel eine Ware mit digitalen Elementen, wenn z.B. ein Navigationssystem vorhanden ist, das Daten von außen empfängt. Das neue Recht bringt Aktualisierungsverpflichtungen für den Verkäufer. Er hat die digitalen Elemente im vereinbarten und üblichen Umfang zu aktualisieren. Gelingt dem Verkäufer z.B. ein Software Update nicht, entsteht ein Sachmangel. Neu ist dabei, dass nicht auf den Übergabezeitpunkt abgestellt wird, sondern auf den Aktualisierungszeitpunkt. Deswegen auch die Verjährungsregeln in § 475 e BGB. Der Verkäufer muss sie als Käufer auf eine notwendige Aktualisierung hinweisen. |
Beweislastumkehr
§ 477 BGB
Die bisherigen sechs Monate werden beim Verbrauchsgüterkauf auf ein volles Jahr verlängert. Bei Waren mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente regelt § 477 Abs. 2 BGB sogar eine Beweislastumkehr von zwei Jahren.
Rücktritt ohne Fristsetzung
§ 475 d BGB
Wann kann der Rücktritt ohne Fristsetzung erklärt werden?
Der § 475 d Abs. 1 BGB ist so zu verstehen, dass keine Frist gesetzt werden muss, um vom Vertrag zurückzutreten. Es soll ausreichend sein, dass ein angemessener Zeitraum zwischen Ihrer Mangelanzeige und dem Rücktritt verstrichen ist. Was ist allerdings eine angemessene Frist?! Hier viertes hakelig. Denn die Dauer der angemessenen Frist soll sich nach den Umständen des Einzelfalles richten. Dabei soll die Art der Ware und der Zweck der Ware ein Entscheidungskriterium für die Beurteilung einer angemessenen Frist bilden. der sicherste Weg wird wohl bleiben, eine Nachfrist zu setzen, um nicht Gefahr zu laufen, dass ein Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die verstrichene Frist nicht angemessen war.
Versuch der Nachbesserung
§ 475 d Abs. 1 Z. 2 BGB
Schaut man sich § 475 d Abs. 1 Z. 2 BGB an, so könnte dem zu entnehmen sein, dass dem Verkäufer nur noch ein Versuch der Nachbesserung zusteht und sie als Verbraucher danach zurücktreten könnten. Dabei kommt es darauf an, ob Sie als Verbraucher das Vertrauen in den Verkäufer verloren haben. Leider definiert der Gesetzgeber nicht, wann Sie das Vertrauen verlieren dürfen. Durften Sie also das Vertrauen nicht verlieren, so dürfte dem Verkäufer noch ein zweiter Versuch zur Nachbesserung zustehen. Es dürfte auch hier wieder mal darauf ankommen um welche Art von Ware es sich handelt und welche Bedeutung die Ware für Sie hat und die Bedeutung des Mangels. Aus reiner Vorsicht sollte dem Verkäufer also ein weiterer Versuch zugebilligt werden.
Verweigerung der Nachbesserung
§ 475 d Abs. 1 Z. 4 BGB
Verweigert der Verkäufer berechtigt oder unberechtigt die Nacherfüllung, so steht Ihnen das Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten. Es wird also nicht unterschieden, ob der Verkäufer berechtigt oder unberechtigt die Nacherfüllung verweigert! Das Rücktrittsrecht steht Ihnen auch zu, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung zwar nicht verweigert, diese aber nicht unentgeltlich erbringen will oder aber nicht innerhalb einer angemessenen Frist oder aber nicht ohne unerhebliche Unannehmlichkeiten für Sie durchführen will.
Darf ich den Mangel selbst beseitigen?
Die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung im Kaufrecht
Die Problematik ist folgende:
Sie haben die Gegenseite mehrfach aufgefordert, den Mangel zu beseitigen, die Gegenseite reagiert jedoch nicht oder hat den Mangel nicht vollständig beseitigt. Es stellt sich folgende Frage: Dürfen Sie den Mangel selbst beseitigen?
Nach den §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, nach ihrer Wahl den Mangel zu beseitigen, oder eine mangelfreie Ware zu liefern. Es ist so, dass das Kaufvertragsrecht, nicht so wie das Werkvertragsrecht nach § 634 Nr. 2 BGB i.V.m. § 637 BGB, eine Selbstvornahme kennt. In Betracht kommt allerdings ein Anspruch gemäß § 439 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1,3 BGB i.V.m. § 281 BGB bzw. § 283 BGB sowie aus Kaufpreisminderung gemäß § 441 Abs. 4 S. 1 BGB. Zu denken wäre auch noch an einer analoge Anwendung des § 637 BGB. Viel diskutiert wird insbesondere die vom Verkäufer ersparten Mängelbeseitigungskosten über § 326 Abs. 2 S. 2 BGB erstattet zu verlangen. Denkbar sind auch Erstattungsansprüche nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und das Bereicherungsrecht; § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.
Kann ich einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 439 Abs. 2 BGB herleiten?
Es ist so, dass nach dieser Vorschrift der Verkäufer die Aufwendungen, die im Rahmen der Nacherfüllung erforderlich sind, selbst zu tragen hat. Allerdings handelt es sich bei den vom Käufer zur Behebung des Mangels aufgewandten Kosten nicht um Kosten der Nacherfüllung im Sinne des § 437 Nr. 1,439 Abs. 1 BGB. Denn Nacherfüllung ist das Recht des Käufers gegen den Verkäufer, die dieser durchzuführen oder zumindest veranlasst haben muss. Diese Anspruchsgrundlage kommt dann zum Zuge, wenn der Käufer einzelne Tätigkeiten zur Nacherfüllung selbst erbringt, so wie z.B. Transportkosten trägt. Die Vorschrift umfasst aber nicht die Selbstvornahme des Käufers. Denn ansonsten wäre die Vorschrift des § 637 Abs. 1 BGB vollkommen überflüssig, die eine Selbstvornahme regelt.
Schadensersatz statt der Leistung
In der Tat können Kosten der Selbstvornahme von Ihnen als Käufer als Schadensersatz statt der Leistung gefordert werden, sofern die Voraussetzungen der § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1,3 BGB i.V.m. § 281 BGB gegeben sind. Voraussetzung ist, dass Sie dem Verkäufer gemäß § 281 Abs. 1 Alt. 2 BGB zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben. Wie sich das nach neuem Kaufvertragsrecht ab 01.01.2022 darstellen wird, bleibt abzuwarten; siehe hierzu oben zur Fristsetzung oben. Es ist ausreichend, wenn Sie zu umgehender Beseitigung des Mangels aufgefordert haben, einen konkreten Zeitraum oder ein Termin müssen Sie nicht setzen. Den Verkäufer müssen Sie erst gar nicht auffordern, den Mangel zu beseitigen, wenn er Sie getäuscht hat. Denn dann fehlt es an der Vertrauensgrundlage.
Ein weiterer Anspruch kommt nach Schadensersatzgesichtspunkten wegen unterbliebenen Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 Abs. 1,3, 283 BGB in Betracht. Eine wichtige Voraussetzung dürfte hierbei sein, dass der Verkäufer es zu vertreten hat, dass die nach Erfüllung unterblieben ist. Für die eigenmächtige Selbstvornahme ist jedoch der Käufer verantwortlich, und die Voraussetzung liegt damit nicht vor.
Kaufpreisminderung
Bekomme ich die Kosten der Selbstvornahme über eine Kaufpreisminderung erstattet?
Als Käufer haben Sie die Möglichkeit einen Teil des Kaufpreises gemäß § 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB i.V.m. § 441 Abs. 1,4 BGB nach Minderungsgesichtspunkten zurückzufordern. Der Minderungsbetrag errechnet sich nach § 441 Abs. 3 S. 1 BGB nach dem Verhältnis des Kaufpreises der Sache in mangelfreien Zustand zu dem wirklichen Wert der mangelhaften Sache. In der Praxis wird der Wert oftmals anhand der erforderlichen Reparaturkosten ermittelt. Den Kaufpreis können Sie, wenn die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen.
Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsrecht
In Betracht käme allenfalls die unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Geschäftsführung als solche nicht dem Willen des Verkäufers entspricht. Dieser ist ja nach Gesetz verpflichtet, den Mangel zu beseitigen. Die Vorschrift des § 684 S. 1 BGB verweist dabei auf das Bereicherungsrecht. Der Verkäufer wäre danach gemäß § 818 Abs. 2 BGB verpflichtet, den objektiven Wert der Mängelbeseitigungsarbeiten zu ersetzen. Dieser wird allerdings nach den Grundsätzen der aufgedrängten Bereicherung auf die Erstattung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen begrenzt. Jedoch sind nach der herrschenden Rechtsprechung die Vorschriften der § 437 ff. BGB abschließend und ermöglichen daneben keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
Im Ergebnis ist es daher so, dass Sie Ihre Aufwendungen grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung, Rücktritt oder Minderung beim Verkäufer geltend machen können, wenn sie zuvor dem Verkäufer die Gelegenheit gegeben zur Nacherfüllung gegeben haben; wie sich dies mit der neuen Vorschrift des § 475 d BGB und einem rügelosen Rücktritt verhält, wird man abwarten müssen.